Document number
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ECLI identifier: ECLI:EU:C:2020:316
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Celex-Nr.: 62019CO0939
Authentic language
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Authentic language: Deutsch
Dates
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Date of document: 30/04/2020
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Date lodged: 24/12/2019
Classifications
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Subject matter
Miscellaneous information
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Author: Gerichtshof
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Country or organisation from which the decision originates: Deutschland
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Form: Beschluss
Procedure
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Type of procedure: Vorabentscheidung
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Judge-Rapportuer: Malenovský
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Advocate General: Pikamäe
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National court:
- *A9* Amtsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 12/12/2019 (58 C 335/19)
Relationship between documents
- Treaty: Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (1957)
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Case affecting:
Affects Legal instrument Provision Legt aus 32004R0261 -
Instruments cited:
Legal instrument Provision Paragraph in document 32004R0261 C1 N 3 32004R0261 N 12 18 22 32004R0261 A07P4 N 15 32004R0261 A02 N 4 32004R0261 A07P1 N 1 11 15 32004R0261 A07 N 5 8 10 16 20 21 62011CJ0011 N35 N 20 32012Q0929(01) A99 N 13 62016CJ0559 N29 N 21 62016CJ0559 N17 N 15 62017CJ0537 N19 N 18 62017CJ0537 N18 N 18
BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)
30. April 2020(*)
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs – Luftverkehr – Verordnung (EG) Nr. 261/2004 – Ausgleichszahlung für Fluggäste bei Annullierung eines Fluges – Große Verspätung – Ausgleichsanspruch – Maßgebliche Entfernung – Flug mit Zwischenlandung – Direkte Anschlussflüge – Berücksichtigung der Gesamtentfernung des Fluges oder nur der annullierten Teilstrecke“
In der Rechtssache C‑939/19
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Amtsgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidung vom 12. Dezember 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Dezember 2019, in dem Verfahren
Flightright GmbH
gegen
Eurowings GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin L. S. Rossi sowie der Richter J. Malenovský (Berichterstatter) und F. Biltgen,
Generalanwalt: P. Pikamäe,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1).
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Flightright GmbH und der Eurowings GmbH über die Höhe einer Ausgleichsleistung, die Flightright wegen großer Verspätung eines Fluges des Luftfahrtunternehmens Eurowings verlangt.
Im ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 261/2004 heißt es:
„Die Maßnahmen der [Europäischen Union] im Bereich des Luftverkehrs sollten unter anderem darauf abzielen, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen. Ferner sollte den Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen in vollem Umfang Rechnung getragen werden.“
Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) dieser Verordnung sieht vor:
„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:
…
f) ‚Flugschein‘ ein gültiges, einen Anspruch auf Beförderungsleistung begründendes Dokument oder eine gleichwertige papierlose, auch elektronisch ausgestellte Berechtigung, das bzw. die von dem Luftfahrtunternehmen oder dessen zugelassenem Vermittler ausgegeben oder genehmigt wurde;
…
h) ‚Endziel‘ den Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein bzw. bei direkten Anschlussflügen den Zielort des letzten Fluges; verfügbare alternative Anschlussflüge bleiben unberücksichtigt, wenn die planmäßige Ankunftszeit eingehalten wird“.
Art. 7 („Ausgleichsanspruch“) dieser Verordnung bestimmt:
„(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:
a) 250 [Euro] bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger,
b) 400 [Euro] bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km,
c) 600 [Euro] bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.
Bei der Ermittlung der Entfernung wird der letzte Zielort zugrunde gelegt, an dem der Fluggast infolge der Nichtbeförderung oder der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt.
…
(4) Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Entfernungen werden nach der Methode der Großkreisentfernung ermittelt.“
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, Flightright, ist eine Gesellschaft, die Fluggästen rechtlichen Beistand anbietet. Ihr wurden von den Zedenten die Ansprüche abgetreten, die wegen einer großen Verspätung bei einer Beförderung von Tokyo (Japan) nach Stuttgart (Deutschland) entstanden waren. Die Beförderung bestand aus zwei Flügen, einem ersten Flug von Tokyo nach Wien (Österreich), gefolgt von einem zweiten Flug von Wien nach Stuttgart. Die Betroffenen verfügten über eine Buchung bei Eurowings, die sie zur gesamten Beförderung berechtigte.
Während der Flug von Tokyo nach Wien planmäßig erfolgte, wurde der Flug von Wien nach Stuttgart annulliert. In der Folge erreichten die Betroffenen, wie sich aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten ergibt, Stuttgart mit einem Zubringerflug, den das Luftfahrtunternehmen ihnen angeboten und den sie akzeptiert hatten, mit einer Verspätung von mehr als 12 Stunden.
Wegen dieser Verspätung zahlte Eurowings jedem Betroffenen eine Ausgleichszahlung in Höhe von 250 Euro. Nach Ansicht von Eurowings war bei der Festsetzung der Höhe der in Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehenen Ausgleichszahlung nämlich nur der Flug von Wien nach Stuttgart maßgeblich, da nur dieser Flug verspätet gewesen sei.
Flightright ist hingegen der Auffassung, dass für die Berechnung der Ausgleichszahlung die gesamte zurückgelegte Strecke zugrunde zu legen sei.
Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts hängt der Ausgang des Ausgangsrechtsstreits davon ab, ob bei der Festsetzung der Höhe der in Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehenen Ausgleichszahlung die gesamte gebuchte Beförderung maßgeblich ist oder nur der verspätete Flug, im vorliegenden Fall der Flug von Wien nach Stuttgart, insbesondere, da in der Rechtsprechung der deutschen Gerichte eine übereinstimmende Antwort auf diese Frage fehle.
Unter diesen Umständen hat das Amtsgericht Düsseldorf (Deutschland) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass für die Festsetzung der Höhe der Ausgleichszahlung bei großer Verspätung im Fall einer von einem Fluggast als Ganzes gebuchten und aus zwei oder mehr Flügen bestehenden Beförderung im Luftverkehr die Gesamtentfernung vom Abflugort des ersten Fluges bis zum Endziel zugrunde zu legen ist, wenn nur der letzte Flug verspätet war.
Nach Art. 99 seiner Verfahrensordnung kann der Gerichtshof u. a. dann, wenn die Antwort auf eine zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden kann oder keinen Raum für vernünftige Zweifel lässt, auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden.
Da dies in der vorliegenden Rechtssache der Fall ist, ist diese Bestimmung anzuwenden.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 einen Anspruch der Fluggäste auf Ausgleichszahlungen vorsieht, die je nach der von den betreffenden Flügen erfassten Entfernung von 250 Euro bis 600 Euro betragen können, unter Zugrundelegung des letzten Zielorts des betreffenden Fluggasts und mit der Maßgabe, dass diese Entfernung gemäß Art. 7 Abs. 4 dieser Verordnung nach der Methode der Großkreisentfernung zu berechnen ist (Urteil vom 7. September 2017, Bossen u. a., C‑559/16, EU:C:2017:644, Rn. 17).
Im vorliegenden Fall steht zum einen fest, dass die Betroffenen bei der Ankunft an ihrem Endziel eine Verspätung hatten, die einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 begründet. Im Ausgangsrechtsstreit geht es nur um die Höhe dieser Ausgleichszahlung.
Zum anderen steht fest, dass die im Ausgangsverfahren betroffenen Fluggäste für ihren gesamten Lufttransport, der aus zwei aufeinanderfolgenden Flügen bestand, eine einzige Buchung vorgenommen haben.
Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich, dass zwei oder mehr Flüge, die Gegenstand einer einzigen Buchung waren, als „direkte Anschlussflüge“ eingestuft werden können und somit für die Zwecke des in der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehenen Ausgleichsanspruchs von Fluggästen eine Gesamtheit darstellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. Mai 2018, Wegener, C‑537/17, EU:C:2018:361, Rn. 18 und 19).
Daher ist die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Ausgleichsleistung bei Anschlussflügen anzuwenden.
Insoweit hat der Gerichtshof u. a. entschieden, dass es im Fall eines Fluges mit Anschlussflügen für die Zwecke der in Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehenen pauschalen Ausgleichszahlung allein auf die Verspätung ankommt, die gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit am Endziel, d. h. dem Zielort des letzten Fluges des betreffenden Fluggasts, festgestellt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Februar 2013, Folkerts, C‑11/11, EU:C:2013:106, Rn. 35).
Außerdem hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass bei der Bestimmung der Höhe der Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 lediglich die Entfernung zwischen dem Ort des ersten Abflugs und dem Endziel zu berücksichtigen ist, ungeachtet eventueller Anschlussflüge (vgl. Urteil vom 7. September 2017, Bossen u. a., C‑559/16, EU:C:2017:644, Rn. 29).
Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass für die Festsetzung der Höhe der Ausgleichszahlung bei großer Verspätung im Fall einer von einem Fluggast als Ganzes gebuchten und aus zwei oder mehr Flügen bestehenden Beförderung im Luftverkehr die Gesamtentfernung vom Abflugort des ersten Fluges bis zum Endziel zugrunde zu legen ist, und zwar selbst dann, wenn nur der letzte Flug verspätet war.
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) beschlossen:
Luxemburg, den 30. April 2020
Der Kanzler |
Die Präsidentin der Achten Kammer |
A. Calot Escobar |
L. S. Rossi |
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